Entspannen in der Unsicherheit

Nach diesem zweiten Beben ist die Angst und Sorge in die Gesichter so vieler Menschen geschrieben. Nichts scheint in irgendeiner Weise vorhersagbar zu sein, nichts.
Dies so deutlich und offensichtlich präsentiert zu bekommen und in der Tiefe der Knochen und des Herzens zu spüren ist nicht etwas, dass einfach so weggesteckt werden kann, auch wenn es eigentlich unsere tägliche Situation im Leben ist.
Wo immer wir sind, was immer wir tun, wir haben eigentlich keine Ahnung was in der nächsten Sekunde passieren wird.
Viele, viele Menschen hier, waren während dem ersten Beben am Mittagessen genau wie wir, als in ca. 4 Minuten (so lange hat das erste Beben gedauert) sich ihr Leben total verändert hatte.

Nach zwei einhalb Wochen mit täglichen Nachbeben, begann man sich an die Tatsache zu gewöhnen, dass die Erde noch nicht ganz zur Ruhe gekommen ist, viele von uns versuchten so gut wie möglich wieder in einen Rhythmus zu kommen, Leute begannen sich aufzuraffen und einen Neuanfang zu schaffen oder ihre neue Situation anzunehmen.
Viele von uns begannen wieder drinnen zu übernachten und so waren wir mitten in der Arbeit für unser Online Institute im Gästehaus des Nonnenklosters als ein zuerst vermeintliches Nachbeben sich als ein neues ziemlich heftiges Erdbeben entpuppte.
Zum Glück haben wir uns nach dem ersten Beben schlau gemacht und uns an die Erdbeben-Verhaltensregen gehalten- jedoch ist es schon ein bisschen ein anderes Gefühl im Bauch, wenn man nicht nach draussen gehen kann. Es wird in diesem Moment sehr klar, dass in was man Zuflucht nimmt nur grösser und tiefer, jenseits von aller Materie sein kann.
Nicht nur für uns jedoch für ganz Nepal war dieses zweite Beben viel mehr ein psycho- logischer Schock- eine Alarmglocke welche immer noch nachhallt und die Menschen hier sehr, sehr verunsicherte. Die Frage wie das Leben in diesem Land weitergehen soll hängt in der Luft, grosse Sorgen für die Zukunft machen sich breit.
Ein grosser Schritt nun ist es in dieser Unsicherheit zu entspannen. Das Herz für das Leiden gleich vor der Haustüre zu öffnen, in Kontakt zu sein mit all dem Schmerz, sich zu freuen über all das Gute das sich in Form von grossen Lastwagen voller Hilfsgüter, singenden Jugendlichen (welche für die Dörfer Geld sammeln) und in vielen weiteren kleinen und grösseren mitfühlenden Handlungen offenbart.
Während dieses Beben waren einige Hilfsorganisationen unterwegs und konnten so gleich Vorort anpacken, wie zum Beispiel Rokpa oder die Nepalesische Frauenorganisation.
Jedoch hören wir von vielen Seiten, dass es nach wie vor Dörfer gibt, welche so abgelegen in den Himalayas liegen, dass noch immer keine Hilfe sie erreichen konnten. Die einzigen Strassen sind vielfach komplett beschädigt, was es fast verunmöglicht die Zelte und 50kg Säcke Reis zu verteilen. Jedoch versuchen diese Organisationen wie auch die verschiedenen Klöster so gut es geht, abgelegene Dörfer zu erreichen und liessen sich in ihrer Hilfeleistung durch das zweite Beben nicht aufhalten.

Uns wurde bald klar gemacht, dass ohne Nepali, medizinische Ausbildung und körperlicher Kraft (für lange Fussmärsche mit Gepäck und in der Sonne) wir nicht direkt Hilfe leisten können, dies war für mich zuerst ein bisschen schmerzhaft zu akzeptieren, da das Leiden so nah und omnipräsent ist. Jedoch auch hier, eine grosse Lektion von unserer Situation in dieser kreisenden Existenz: Leiden ist immer präsent, überall, in uns und um uns. Dieser Tatsache ins Auge zu sehen, ohne zu beschönigen oder uns diesem Leiden zu verschliessen ist was uns zu spirituellen KämpferInnen machen kann- komme was wolle, wir müssen das Leiden und seine Ursachen in uns und um uns herum vernichten, endgültig beenden, egal wie lange diese Mission dauern wird; dies ist die Motivation einer Kriegerin des Erwachens.

So sind wir präsent hier, mit offenen Herzen und Ohren, im Kontakt mit den Leuten und versuchen uns in die Lage all unserer Nepalesischen Brüder und Schwestern hineinzuversetzen. Gespräche mit den Taxifahrern und Ladenbesitzern geben uns einen direkten Einblick in das Leiden des Verlusts von Angehörigen, Besitz und Einkommen und nähren den Wunsch zu tun was immer getan werden kann um diesen Menschen kurzfristig und langfristig aus allem Leiden zu befreien.






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